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Autor: Benjamin Freund
Irgendwo draußen an einer Häuserfassade. Eine junge Frau mit schwarzen Stiefeln und kurzem Mantel hält ein Messer nicht so, wie die meisten ein Messer wahrscheinlich halten würden. Der Holzgriff lugt weit am unteren Handende hervor, während die linke Hand die Klinge umschließt. Ein gefährliches Unterfangen. Unklar bleibt, warum die Frau mit ihrer rechten Hand einen Rollladen davor bewahrt, herunterzurasseln. Will sie dahinter gleich das Küchenmesser vor den Augen einer hungrigen Meute verstecken? Zaubert sie im nächsten Moment eine Apfeltorte aus der Dunkelheit hervor? Oder deponiert sie dort die Tatwaffe?
"Es ist uns immer wichtig gewesen, eine poetische Ebene zu haben, die einen Schauwert für ihr Publikum mit sich bringt – ohne belehrend zu sein, ohne etwas vorzugeben", sagen die Kuratorinnen Annett Jahn und Ulrike Mönnig über ihre DDR-Gruppenausstellung "An den Rändern taumelt das Glück" in Cottbus.
Mehr als 300 Bilder und 38 fotografische Positionen finden darin zusammen. Dafür hat das Duo in den drei mächtigen Räumen des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst (BLMK) bis zum 11. Mai eine Art Zeitkapsel installiert – oder vielmehr: eine Zeitmaschine. Denn in dem ehemaligen Dieselkraftwerk wird nicht nur archiviert, sondern auch gereist – und zwar bis an die Ränder einer flimmernden Republik.
DDR-Bildwelten abseits des sozialistischen Realismus
Zurück zum Ausstellungsplakat: Es wirkt aus der Zeit gefallen; ein Bild, das weder Schwarz-Weiß ist noch vor Farbenfreude sprüht. Als würde jemand mit einem Social-Media-Filter den Vibe einer verloren geglaubten Zeit simulieren. Authentizität und Pose zugleich. Das Foto wurde 1985 von Matthias Leupold geschossen. Dabei machte ihn seine eigene Biografie in gewisser Weise bereits selbst zum Grenzgänger: Der in Ostberlin geborene und aufgewachsene Fotograf wurde unter anderem wegen Beihilfe zur Republikflucht inhaftiert. Leupolds DDR-Bildwelten finden größtenteils abseits des sozialistischen Realismus statt und entwerfen eine Art Gegenrealität.
So hält die Ausstellung auch noch weitere Bilder von ihm bereit. Auf einem davon stürmt dem Publikum ein Mann mit nacktem Oberkörper und lodernder Fackel entgegen. Neben dem Feuer trägt der junge Kerl einen grimmigen Blick, während er durch die Gänge eines Gemäuers zielsicher auf die Kamera zusteuert. Mystisch, aber auch ein bisschen angsteinflößend.
Entstanden sind einige der Exponate neben Berlin auch in Weimar, Halle, Leipzig und Rostock-Lichtenhagen. Dabei lässt sich auf den ersten Blick nicht immer sagen, dass ein Bild in der
DDR aufgenommen wurde. Weder bei Leupolds Messer-Frau und dem Fackel-Mann noch bei der Ansicht einer schneebedeckten Menschenmenge der in Thüringen geborenen Fotografin Christina Glanz.
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1.3.25-11.5.25
Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK)
Dieselkraftwerk Uferstraße/Am Amtsteich 15, 03046 Cottbus
+49 355 49494050
Öffnungszeiten:
dienstags bis sonntags
11 bis 19 Uhr
https://www.blmk.de/programm/ausstellungseroeffnung-an-den-raendern-taumelt-das-glueck-die-spaete-ddr-in-der-fotografie/

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